KirchenVolksBegehren

Analyse des Kirchenvolks-Begehren 1995

1995 organisierten engagierte Leute in Österreich ein sogenanntes Kirchenvolks-Begehren. Über 500.000
Menschen haben es unterschrieben.

Den folgenden Punkten wurde dabei durch Unterschrift zugestimmt:

  1. Der Aufbau einer geschwisterlichen Kirche
  2. Die volle Gleichberechtigung von Frauen
  3. Die freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform
  4. Die positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen
  5. Eine Frohbotschaft statt einer Drohbotschaft


Was bedeutet das nun?


Es zeigt zunächst, daß über 500.000 Österreicher offenbar eine völlig falsche Vorstellung der katholischen Kirche haben! Ihr Kirchenverständnis scheint äußerst lückenhaft und unvollständig zu sein.

Die katholische Kirche hat dem Wesen nach eine hierarchische Struktur. Und sie hat einen eifersüchtigen Gott. Willensäußerungen in Glaubensfragen sind nur so lange tolerabel, als sie mit den Lehrinhalten der heiligen Schriften prinzipiell in Einklang stehen.

Alle, die es wagen an den Prinzipen der Kirche zu zweifeln, sind eigentlich Ungläubige. Mit diesen verfährt man zunächst milde, um sie wieder zur Räson zu bringen. Hilft das nichts, werden und müssen "gerechte" Strafen angedroht werden. Anders geht es nicht. So steht es geschrieben.

Die Punkte des Kirchenvolks-Begehren stehen insgesamt alle im Gegensatz zur Lehrmeinung. Es
ist daher denkunmöglich, daß die Kirche irgendwo einlenken kann, ohne ihre eigenen Prinzipien aufzugeben.

Würde sie das nämlich tun, wäre sofort die Frage nach ähnlichen Veränderungen in anderen Bereichen am Tisch. Wo kann dann das Ende sein? Das würde somit zum Abbruch der katholischen Religion in der jetzigen Form führen und eventuell zum Beginn einer neuen...

Nun zu den einzelnen Punkten:


1. Der Aufbau einer geschwisterlichen Kirche:

Das Wort geschwisterlich ist unklar und müßte genau definiert werden um diskutierbar zu sein. Auf keinen Fall kann geschwisterlich als demokratisch gelten gelassen werden.

Die katholische Kirche ist dem Wesen nach nicht demokratisch sondern hierarchisch. Es gibt nur jene Prinzipien, die von Gott selbst bzw. seinen Vertretern auf Erden kommen. Sonst gibt es nichts. Das ist einfach so, Punktum!

Bezüglich Gleichheit von Klerus und normalen Gläubigen ist zu fragen, was bedeutet Gleichheit? Wenn die angestrebte Gleichheit Realität wäre, was wäre dann? Wären dann alle Laien auch gleichzeitig Priester oder bedeutet das die Abschaffung des Priestertums?

Beide Schlußfolgerungen sind in Anbetracht der gültigen Lehre absurd, aber vielleicht gibt es noch andere Interpretationsmöglichkeiten?

Zum Thema Mitsprache bei Bischofsernennungen darf gefragt werden, wozu sollte so was gut sein. Es ist doch völlig gleichgültig wer Bischof ist. Entweder man ist gläubig, dann nimmt man den der da ist zur Kenntnis, oder man ist ungläubig. Dann kann es einem gleichgültig sein, wer Bischof ist. Auch hier tritt das hierarchische Prinzip der Kirche klar in Erscheinung.


2. Die volle Gleichberechtigung von Frauen

Wenn Gleichberechtigung im kirchlichen Sinn gemeint ist (Frauenpriestertum), kann diese klar ausgeschlossen werden, da diese Frage lehramtlich bereits endgültig entschieden ist. Und zwar neben anderen Begründungen in den Schriften auch durch das Wort des Papstes Johannes Paul II.

Die Hintergründe dafür sind auch einleuchtend. Frauen tragen das neue Leben in ihrem Körper und gebären es. Es besteht somit eine tiefe Verbundenheit der Frau mit der von ihr geborenen Brut.

Diese Verbundenheit könnte aber bei der rechtschaffenen und klaren Erfüllung vieler Grundsatzprinzipen der heiligen Lehre sehr
hinderlich sein. Es liegt nicht im Wesen der Frau, gegebenenfalls bis zur Vernichtung der eigenen
Brut zu schreiten, wenn diese nachweislich von
Gott abfällt ...

Auch die im Bedarfsfall mit kriegerischen Mitteln herbeizuführende Bekehrung oder andernfalls Vernichtung von Ungläubigen stimmt wesensmäßig nicht mit der Frau überein ...

Aus diesem Grunde kann man sich eigentlich nur wundern, warum es Frauen gibt, die die volle Eingliederung in die Kirche anstreben?

Wer seinem Gewissen folgend anderen Menschen helfen und für sie sorgen will, kann das jederzeit und völlig frei von Prinzipzwängen tun.

Wozu also das Streben nach künstlicher Aufhalsung von Kirchenschwierigkeiten. Die dazu investierte Energie ist vergeblich, kann aber anderswo schon viel bewegen.


3. Die freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform

Wenn diese Forderung auf den Menschen an sich angewendet wird, so ist sie erfüllt. Niemand wird von irgendwem zu zölibatärer Lebensform gezwungen.

Wenn diese Forderung auf den sich dem freiwilligen Zölibat unterwerfenden Priester angewendet wird ist unklar, wieso stellen Leute diese Anforderung die gar nicht betroffen sind?

Wenn hinter der Forderung steckt, daß es viele potentielle Priester gäbe, falls sie sich den Zölibat nicht aufhalsen müßten, ist das eigentlich ein Widerspruch in sich.

Priester ist man nicht deswegen, um Dinge welcher weltlichen Art auch immer zu tun, sondern um die Lehre Christi auf Erden zu glauben und umzusetzen.

Dazu gehört eben auch der Zölibat. Wen das stört, soll seinem Gewissen außerhalb der Kirche folgen. Er wird dabei vermutlich wesentlich glücklicher sein.

Ein kausaler Hintergrund ist sicher auch in einer ähnlichen Ursache wie bei den Frauen zu sehen. Wäre nämlich ein Priester verheiratet und hätte eigene Kinder, so würde es zu einem kaum überwindbaren Familienproblem werden, wenn sich eines der Kinder nachweislich von Gott abwendet.

In diesem Fall müßten die Eltern den verlorenen Sohn (oder Tochter) gemeinsam zum Glauben zurückzuholen versuchen.

Im Falle der Erfolglosigkeit müßten die vorgesehenen Strafen gegen die eigene Brut angewendet werden, was möglicherweise zu recht schwierigen Situationen führen kann.

Ein Mann, der im eigenen Haus solche Probleme hat, tut sich aber enorm schwer, diese in anderen Häusern nach dem Willen Gottes abzuhandeln.

Daher: vor solchen Situationen schützt die zölibatäre Lebensform nachhaltig.


4. Die positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen

Hier ist die wesentliche Frage, was konkret gemeint ist?

Alle Dinge die gemeint sein könnten aber nicht mit der Lehrmeinung der Kirche übereinstimmen, werden ebenso logisch wie klar abgelehnt.

Das muß auch so sein, sonst würde ja die Kirche ihre eigenen Prinzipien aufgeben. Wenn sie das täte, wäre wieder die Frage wo ist dann das Ende?

Mehr kann hier eigentlich nicht gesagt werden.


5. Eine Frohbotschaft statt einer Drohbotschaft

Leute, die den Willen der Kirche als Drohbotschaft empfinden sind entweder schon ungläubig oder sie befinden sich am Weg dorthin.

Es ist nun mal so, daß der Gläubige zu gehorchen hat was Gottes Wille ist. Da kann man nichts relativieren, deuten, abmildern oder verdrehen!

Gottes Wille gilt und sonst nichts! Er steht entweder in der heiligen Schrift, oder wird von den Gottesmännern auf Erden gelehrt und gepredigt.

Die beiden Möglichkeiten die jemand hat, der mit den Prinzipen der Kirche nicht einverstanden ist, sind:

Sündigen, sich also bewußt nicht an die Regeln halten. Wenn man später vorgibt zu bereuen, ist im Sinne der Kirche wieder alles in Ordnung. Die Sünden werden einem vergeben (zumindest kurzfristig, da unechte Reue gegebenenfalls in die ewige Verdammnis führt).

Die zweite Möglichkeit ist jene der wirklichen Abwendung. Dann muß man sich allerdings im klaren sein, daß die Kirche versuchen wird und muß, einen zurückzuholen. Sollte das aber nicht gelingen, wird man mit den vorgesehenen Strafen bedacht.

Im Europa des 21 Jahrhunderts würde jemandem der das provokant durchexerziert wahrscheinlich nicht viel passieren.

Zu anderen Zeiten war man in diesem Fall allerdings unmittelbar vom Tode bedroht.


Was ist also die Moral von der Geschicht?

Allein die Tatsache, daß die genannten Forderungen gestellt werden gibt davon Zeugnis, daß diejenigen die diese Forderungen stellen, wenig bis keine Ahnung vom christlichen Glauben haben! Diese Tatsache wird in Österreich also durch mehr als 500.000 Unterschriften belegt. Die Dunkelziffer dürfte allerdings erheblich größer sein.

Hier kann man eigentlich nur den Schluß ziehen, daß die Hirten wie sich die Männer Gottes nennen, ihrer Aufgabe sehr nachlässig bis gar nicht nachkommen.

Wie sonst wäre zu erklären, daß Leute die sich selbst offenbar für Gläubige halten, in wesentlichen Grundsatzfragen versuchen eben aus diesem Glauben auszubrechen, ihn relativieren wollen?

Die Betroffenheit darüber war verklausuliert, wie es eben die Art der kirchlichen Sprechweise ist, seinerzeit aus der einen oder anderen kirchlich offiziellen Reaktion herauszuhören.

Die Tatsache, daß viele sogenannte Gläubige im katholischen Sinn eigentlich Ungläubige sind, oder zumindest am Weg dorthin, das ist das eigentliche Ergebnis des Kirchenvolks-Begehrens ...

Kirchenvolks-Begehren, eine Analyse 10/2003

Letztes Update: Oktober 2003 - senden Sie mir eine email
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